Zwischen Dom, Leica und Goethe: Ein Tag in Wetzlar

Der ursprüngliche Anlass für meinen Besuch in Wetzlar war eine Fotoausstellung in der Galerie am Dom. Doch die Stadt entfaltete schnell ihren eigenen Reiz: Zwischen dem historischen Zentrum, bedeutender Fotokunst und Goethes Spuren entwickelte sich der geplante Kurztrip zu einem eindrücklich gefüllten Tag. Wetzlar ist ideal, um in Ruhe und mit einem Fokus auf Geschichte und Kultur zu Fuß erkundet zu werden.

Der Wetzlarer Dom: Ein Symbol der Koexistenz

Mein Rundgang begann am Wetzlarer Dom. Dieses Bauwerk ist in seiner Funktion einzigartig: Es ist eine sogenannte Simultankirche, die seit der Reformation von Katholiken und Protestanten gemeinsam genutzt wird. Die Architektur vereint harmonisch romanische und gotische Elemente. Besonders markant ist die unvollendete Westfassade, die einen spannenden Hinweis darauf gibt, dass historische Entwicklungsprozesse offenbleiben können. Auch ein Blick ins Innere ist empfehlenswert, unter anderem wegen der barocken Totenkopf-Reliefs.

Galerie am Dom: „Vier starke Frauen – 100 Jahre Leica“

Unweit des Doms zeigte die Galerie am Dom die Ausstellung „Vier starke Frauen – 100 Jahre Leica – Zeugin eines Jahrhunderts“. Die Schau präsentierte eindrucksvoll die Bandbreite weiblicher Perspektiven in der zeitgenössischen Fotografie:

  • Herlinde Koelbl dokumentierte in Spuren der Macht – Angela Merkel politische Nähe und Veränderung.
  • Donata Wenders hielt in Reading Time intensive Momente der Konzentration am Filmset fest.
  • Vera Mercer zeigte opulente Stillleben, die an flämische Barockmalerei erinnern.
  • Henrike Stahl präsentierte unter Tausend Möglichkeiten der Realität experimentelle Kompositionen.

Die Aufteilung der Werke auf zwei gegenüberliegende Fachwerkhäuser verstärkte den Charme der Präsentation. Die Ausstellung ist künstlerisch und historisch sehr sehenswert.

Historischer Rundgang durch die Altstadt

Nach der Kunst lud die gut erhaltene Altstadt zu einem Spaziergang ein.

  1. Lottehaus: Hier lebte Charlotte Buff, deren Beziehung zu Johann Wolfgang von Goethe die Vorlage für seinen Briefroman Die Leiden des jungen Werthers lieferte. Im Lottehof war eine zusätzliche Freiluftausstellung zu 100 Jahren Leica mit beeindruckenden Leica-Aufnahmen aus aller Welt zu sehen.
  2. Jerusalemhaus: Der Rundgang führte weiter zum ehemaligen Wohnhaus von Karl Wilhelm Jerusalem, dessen Suizid 1772 in Wetzlar Goethe tief bewegte und ebenfalls in den Werther einfloss.
  3. Alte Lahnbrücke: Der Abschluss bildete die Alte Lahnbrücke, die weite Ausblicke auf die Lahn und die charakteristische Silhouette der Altstadt bietet – ideal für Fotografen.

Fazit
Wetzlar ist ein perfektes Ziel für einen kulturaffinen Tagesausflug. Die Verbindung aus literarischer Geschichte, einzigartiger Architektur und der Tradition als Optik- und Leica-Stadt sorgt für bleibende Eindrücke.