Als eine Freundin mir neulich zum dritten Mal von ihrem Lesekreis vorschwärmte, fiel mir wieder ein: Da gibt es doch diesen Roman! Den Jane Austen Club von Karen Joy Fowler. Ich hatte ihn vor Jahren mal angefangen, dann aber aus den Augen verloren. Im eigenen Bücherregal fand ich ihn wieder – höchste Zeit, dachte ich, das nachzuholen.
Als langjährige Jane-Austen-Leserin – ich kenne ihre Romane, als Buch und als Hörbuch, genial gelesen von Eva Mattes – kam ich an diesem Roman einfach nicht vorbei. Zumal Jane Austen am 16. Dezember diesen Jahres 250 Jahre alt geworden wäre. Grund genug, mir nicht nur meinen Lieblingsroman Emma noch einmal zur Hand zu nehmen, sondern auch Fowlers Jane Austen Club endlich zu Ende zu lesen.
Was passiert, wenn sechs Menschen ein halbes Jahr lang gemeinsam Jane Austen lesen? Fowler zeigt in ihrem klugen, warmherzigen Roman, dass dabei weit mehr entsteht als ein gewöhnlicher Literaturkreis. Die Clubmitglieder – von der pensionierten Lehrerin bis zum jungen Science-Fiction-Fan – treffen sich, um über Emma, Stolz und Vorurteil und die anderen Romane zu sprechen. Doch während sie über Austens Heldinnen diskutieren, beginnen ihre eigenen Lebensgeschichten sich mit den literarischen Gesprächen zu verweben.
Emma ist mein Lieblingsbuch von Austen – diese kluge, manchmal nervige junge Frau, die sich selbst so schlecht kennt und doch so sehr bemüht ist, anderen zu helfen. In Fowlers Roman gibt es eine ähnliche Figur, und ich habe geschmunzelt über diese feine Anspielung. Fowler schreibt mit leichter Hand und einem Augenzwinkern, das mich manchmal an Austen selbst erinnert hat. Ihre Dialoge sind präzise und witzig, ihre Beobachtungen über menschliche Schwächen treffsicher. Sie balanciert geschickt zwischen unterhaltsamer Leichtigkeit und inhaltlicher Substanz – genau das, was auch Austens Romane auszeichnet.
Was das Buch besonders klug macht: Man muss keine Austen-Kennerin sein, um es zu genießen. Wer ihre Romane kennt, wird die feinen Anspielungen und Parallelen mit Vergnügen entdecken. Aber auch ohne dieses Wissen funktioniert die Geschichte als intelligente Erzählung über Freundschaft, verpasste Chancen und die Frage, wie Literatur uns helfen kann, uns selbst besser zu verstehen.
Das Buch wurde 2004 ein internationaler Bestseller und später verfilmt. Zu Recht, würde ich sagen, auch wenn der Film (den ich danach angeschaut habe) nicht ganz an die Vielschichtigkeit des Romans heranreicht. Beim Lesen entfalten sich die Charaktere einfach besser, ihre Geschichten bekommen mehr Raum.
Und dann, nach der Lektüre, habe ich tatsächlich Emma wieder hervorgeholt – erst das Hörbuch mit Eva Mattes, deren ironisch-warme Stimme die Figuren zum Leben erweckt, dann den Roman selbst. Nach Fowlers Buch liest man Austen noch einmal anders: mit mehr Aufmerksamkeit dafür, wie zeitlos ihre Beobachtungen über Menschen und ihre Beziehungen sind.
Am Ende habe ich übrigens tatsächlich überlegt, ob ich nicht selbst einen Jane-Austen-Lesekreis gründen sollte. Leider gibt es in Deutschland keinen, auch nicht an den Volkshochschulen, soweit ich weiß. Vielleicht gründe ich einen? Interessentinnen dürfen sich gerne melden.
Die Autorin
Karen Joy Fowler wurde 1950 in Indiana geboren und lebt heute in Kalifornien. Mit dreißig Jahren beschloss sie, Schriftstellerin zu werden. Ihre literarische Karriere begann in der Science-Fiction: 1987 wurde sie als beste neue SF-Autorin mit dem John W. Campbell Award ausgezeichnet. „Der Jane Austen Club“ machte Fowler 2004 international bekannt und wurde später mit Emily Blunt verfilmt. 2020 wurde ihr Gesamtwerk mit dem World Fantasy Award gewürdigt.

Der Jane Austen Club
von Karen Joy Fowler. Roman.
Aus dem Amerikanischen von Marcus Ingendaay.
320Seiten. Goldmann Verlag, München. 2005.
Das Buch ist antiquarisch erhältlich.