Der Gedankenspieler

Der Mönchbruch – unweit von Peter Härtlings Wohnort Walldorf
Der Mönchbruch – unweit von Peter Härtlings Wohnort Walldorf

Im Mittelpunkt des Romans „Der Gedankenspieler“ von Peter Härtling steht der achtzigjährige, allein lebende Architekt Johannes Wenger. Nach einem Sturz ist er auf den Rollstuhl und die Hilfe eines Pflegedienstes angewiesen, was ihm als lebenslangem Einzelgänger sehr schwerfällt. Er beginnt, sein Leben zu reflektieren, indem er in Gedanken Briefe an wichtige Menschen seiner Vergangenheit und Gegenwart schreibt. Sein junger Hausarzt Dr. Mailänder lässt sich von Wengers eigenartigem Verhalten nicht abschrecken. Zwischen den beiden entwickelt sich eine ungewöhnliche Freundschaft. Und so schreibt Wenger auch ihm einen Brief, den er allerdings nie abschickt oder übergibt:

Hallo Mailänder, mein Hausarzt, später Freund und Behüter. Du fragst Dich und mich, wie ich so geworden bin, meinen momentanen Zustand erreicht habe, als notorischer Einzelgänger, Einsamkeitsverkoster, einer der Häuser gebaut hat und unbehaust blieb, einer, der schreibt und von allen guten Geistern verlassen ist, einer der verschwinden möchte, der es genießt, immerhin mit Einschränkungen da zu sein.

Als Mailänder heiratet und eine Familie gründet, wird Wenger zunehmend in deren Leben integriert, was ihn, den Einzelgänger, vor enorme Herausforderungen stellt.

Peter Härtling beschreibt einfühlsam das Leben eines Menschen, der Alter, Krankheit, Einsamkeit, aber auch späte Lebensfreude erlebt. Während des Lesens kehrten meine Gedanken immer wieder zu Härtling selbst zurück – zu seiner freundlichen, zugewandten Art im Gespräch und  bei Lesungen. Wie viel von ihm steckt wohl in der Figur des Johannes Wenger? Der Roman hat mich tief berührt und zum Nachdenken über das Alter angeregt.

Peter Härtling hat an diesem Roman bis kurz vor seinem Tod gearbeitet.  Im Mai 2017 schloss er  das Manuskript ab,  am 10. Juli 2017 starb er nach längerer Krankheit. Die vorliegende Fassung des Romans wurde von Olaf Petersenn, Härtlings langjährigem Lektor, im Sinne des Autors geringfügig bearbeitet.

»Härtlings letzter Roman ist ein Abschiedswerk, das die große Menschenfreundlichkeit erkennen lässt, die wir an diesem Autor immer geschätzt haben
(Wolf Scheller in der  Schwäbische Zeitung am 20. März 2018).

Peter Härtling. 2004.
Peter Härtling im Januar 2004.

Über den Autor
Peter Härtling, geboren 1933 in Chemnitz, arbeitete als Redakteur bei Zeitungen und Zeitschriften. 1967 wurde er Cheflektor des S. Fischer Verlags in Frankfurt am Main, von 1968 bis 1973 war er Sprecher der Geschäftsführung. Seit 1974 ist er als freier Schriftsteller tätig. Peter Härtling lebte in Walldorf und engagierte sich gegen den Bau der Startbahn West im Flörsheimer Wald. 2003 wurde er zum Ehrenbürger der Stadt Mörfelden-Walldorf ernannt. Peter Härtling zählt zu den bedeutendsten deutschsprachigen Schriftstellern der Gegenwart. Sein umfangreiches literarisches Werk umfasst Romane, Erzählungen, Gedichte, Kinderbücher und Essays. Für sein Werk erhielt er zahlreiche Auszeichnungen (u.a. Bundesverdienstkreuz, Deutscher Bücherpreis, Gerty-Spies-Literaturpreis, CORINE).  Rund 20 Schulen tragen seinen Namen.

Peter Härtling, Der Gedankenspieler. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln

Der Gedankenspieler
von Peter Härtling
240 Seiten. Kiepenheuer & Witsch, Köln.
5. Auflage 2018

Ein ausführliches Porträt von Peter Härtling findet sich hier:
>> gg-online.de