
Pflanzen sind weit mehr als bloße Kulisse unseres Lebensraums. Sie versorgen uns mit Nahrung, Sauerstoff, Energie und Rohstoffen, doch im eigenen Umfeld nehmen wir sie kaum wahr. In seinem Sachbuch „Die Intelligenz der Pflanzen“ rückt der italienische Biologe Stefano Mancuso und die italienische Wissenschaftsjournalistin Alessandra Viola das grüne Leben eindrucksvoll ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit.
Was auf den ersten Blick wie ein kühner Gedanke wirkt – Pflanzen als intelligente Wesen? – wird durch Mancusos fundierte Forschung überzeugend begründet. Er zeigt, dass Pflanzen keineswegs passive, stumme Geschöpfe sind. Vielmehr verfügen sie über erstaunliche Sinnesleistungen, die weit über unsere fünf Sinne hinausgehen. Sie spüren Schwerkraft, elektromagnetische Felder, chemische Signale und Feuchtigkeit. Über Duftstoffe warnen sie sich gegenseitig, locken Helfer an oder organisieren sich im Untergrund über komplexe Wurzelnetzwerke. Obwohl sie kein Gehirn besitzen und auch kein Organ, das nur annähernd unserem menschlichen Gehirn ähnelt, kann man ihnen Intelligenz – im Sinne von Problemlösungsfähigkeit – nicht absprechen.
Mancusos Buch lädt dazu ein, das scheinbar Vertraute neu zu entdecken: Pflanzen als eigenständige, handelnde Wesen. Seine Sprache ist klar, anschaulich und gelegentlich humorvoll, eine ideale Kombination, um auch komplexe biologische Zusammenhänge verständlich und lebendig zu vermitteln. Was mich besonders berührt: die spürbare Begeisterung des Autors für die Pflanzenwelt und seine behutsame Art, unsere Sichtweise herauszufordern. Und es gelingt ihm. Seit der Lektüre des Buches nehme ich Pflanzen deutlich aufmerksamer und achtsamer wahr, nicht nur im Wald oder im Garten, sondern auch am Straßenrand, in Pflasterritzen und an alten Mauern. Was vorher beiläufig erschien, wirkt nun lebendig, eigenwillig und faszinierend.
Wie wir gesehen haben, hat die evolutionäre Entwicklung der Pflanzen zu einem modularen Körperbau geführt, der die pflanzlichen Funktionen nicht in einzelnen Organen konzentriert, sondern im gesamten Organismus verteilt. Durch diese strategische Grundsatzentscheidung ist das Leben der Pflanzen selbst dann nicht bedroht, wenn sie Teile ihres Körpers verlieren. […] Warum sollte es ihnen also an Intelligenz fehlen, nur weil sie kein Gehirn besitzen?
Die Lektüre wirft Fragen auf, die über das Botanische hinausgehen. Wie definieren wir Intelligenz? Wie begegnen wir anderen Lebensformen, nicht nur mit Respekt, sondern auch mit Neugier? Wer sich darauf einlässt, wird nicht nur viel über Pflanzen lernen, sondern auch über die eigene Haltung zur Natur.
„Die Intelligenz der Pflanzen“ ist ein wunderbares Buch für alle, die mehr wissen wollen über das stille Leben, das uns umgibt und das viel klüger ist, als wir bisher dachten. Ein Muss für Pflanzenfreunde!
Die Autoren
Stefano Mancuso
Stefano Mancuso, geboren 1965 in Süditalien, ist Biologe und Professor für Botanik an der Universität Florenz. Er gilt als einer der führenden Experten für Pflanzenintelligenz und leitet das Internationale Labor für Pflanzenneurobiologie. Mit seinen Büchern macht er wissenschaftliche Erkenntnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich und setzt sich für ein neues Verständnis der Pflanzenwelt ein.
Alessandra Viola
Alessandra Viola ist eine preisgekrönte italienische Wissenschaftsjournalistin, Autorin und Fernsehproduzentin. Sie arbeitet unter anderem für die RAI und ist bekannt für ihre klare, gut verständliche Vermittlung naturwissenschaftlicher und gesellschaftlicher Themen. Neben ihrer journalistischen Tätigkeit forscht sie im Bereich Wissenschaftskommunikation und setzt sich für einen bewussteren Umgang mit der Natur ein.
Aus dem Italienischen von Christine Ammann.
166 Seiten. Verlag Antje Kunstmann, München 2015.